Beton als Akku
Thermische Bauteilaktivierung ist der Fachbegriff dafür, wenn Bauteile aus Beton zur Einlagerung von thermischer Energie, also Wärme oder Kälte, genutzt werden. Am häufigsten kommen dafür die Geschossdecken in Gebäuden zum Einsatz, in die Rohrsysteme einbetoniert werden. Mit warmem oder kühlem Wasser in den Rohren lässt sich die Temperatur in den darunter liegenden Räumen steuern. Weil der Temperaturunterschied zwischen beheizten und nicht beheizten Bauteilen sehr gering ist, wird ein Gebäude mit thermischer Bauteilaktivierung als sehr behaglich empfunden, vergleichbar mit einem Kachelofen. Weiterer Pluspunkt: Von der Decke kann die Wärme ungehindert abstrahlen, ohne Einschränkungen durch Möbel. „Der Aufwand für die Verlegung der Rohrleitungen ist mit jenem für eine Fußbodenheizung vergleichbar. Lediglich die Planungsarbeiten im Vorfeld sind etwas umfangreicher“, erklärt Baumeister DI Gunther Graupner, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Bauforschung in Salzburg.
Hohes Einsparpotenzial
Beton leitet Wärme gut und kann sie noch besser speichern. Das ist der Grund, warum die Wassertemperatur in den Rohrleitungen nur geringfügig über der gewünschten Raumtemperatur liegen muss. Zum Heizen reicht 28 bis 30 Grad warmes Wasser. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Fußbodenheizung in einem gut gedämmten Gebäude lassen sich bis zu 21 Prozent Heizenergie einsparen. In Kombination mit selbst erzeugter Ökoenergie ist der Spareffekt umso höher.
Ideal kombiniert mit Ökoenergie
Besonders energieeffizient wird thermische Bauteilaktivierung, wenn alternative Energieformen wie Solar- oder Windenergie bzw. Erdwärme zum Einsatz kommen. Mit seiner hohen Speicherfähigkeit gleicht Beton die Schwankungen in der Erzeugung der Alternativenergien perfekt aus. In Zeiten des Überschusses, wenn die hauseigene Photovoltaikanlage, die Solarkollektoren auf dem Dach oder Windräder viel Energie liefern, wird Wärme über die Rohrsysteme an den Beton abgegeben. Bei hoch gedämmten Gebäudehüllen kann man dann zwischen fünf und sieben Tage lang diese eingespeicherte Wärme „abernten“, bevor Nachschub nötig ist. Auf diese Weise funktionieren thermisch aktivierte Bauteile wie ein „Akku“, der Ökoenergie auf Vorrat einlagert. Beton leistet somit einen wesentlichen Beitrag, um alternative Energien wirtschaftlich nutzen zu können, die Stromnetze zu stabilisieren und die Klimaziele zu erreichen.
Kühlen im Sommer
Bereits im Jahr 2035 wird der Energiebedarf für das Kühlen von Gebäuden mehr als doppelt so hoch sein als jener für das Heizen, bis zum Jahr 2085 sogar dreimal so hoch. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Wärmetechnik und Thermodynamik der TU Bergakademie Freiberg. Im Moment sehen die Baurichtlinien in Österreich zwar vor, dass neu geplante Gebäude ohne Kühlung auskommen müssen. Doch die Realität sieht anders aus: In den heißen Sommern der vergangenen Jahre war ein regelrechter Run auf mobile Klimageräte und auf den nachträglichen Einbau von Klimaanlagen zu verzeichnen. Eine thermische Bauteilaktivierung bringt hier Abhilfe. Sollte es im Sommer zu heiß werden, wirkt Beton auf zweierlei Art. Einerseits speichert der Baustoff die Umgebungswärme bzw. Hitze ein und gibt sie erst später, wenn es kühler wird, wieder ab. Andererseits kann das verlegte Rohrsystem über die angeschlossene Wärmepumpe direkt zum Kühlen benutzt werden. Der Vorteil: Für diese Art der Raumkühlung ist nur wenig Energie vonnöten, da ein Temperaturunterschied von ein bis zwei Grad reicht, um einen Kühleffekt zu erzielen. Kommt alternative Energie von Sonne, Wind oder Erdwärme ins Spiel, geht die Rechnung noch besser auf. Bei Hitzewellen im Sommer steht naturgemäß ausreichend Sonnenenergie für die Photovoltaikanlage zur Verfügung, die fateb der Wärmepumpe und damit zum Kühlen genutzt werden kann.
Kühleffekt in Städten
Beton kann nicht nur in Gebäuden, sondern auch im Freien für einen Kühlungseffekt sorgen. Dass sich dunkle Oberflächen stärker aufheizen als helle, ist keine Neuigkeit. Innovativ ist, diesen Effekt in der Stadtplanung zu nutzen. Dunkle Asphaltoberflächen werden nachweislich um bis zu zehn Grad Celsius heißer als helle Betonflächen. Das hat Auswirkungen auf das Mikroklima in einer Stadt. Helle Betonflächen könnten die Lufttemperatur im Sommer um ein Grad Celsius reduzieren. Angesichts des Klimawandels eine nicht zu vernachlässigende Perspektive.
Credit Vorschaubild: Dr. Harrer.